⇐ Zurück zur Kunstprojekte Übersicht

2008

Gewölle | topos tiger | au milieu

Gewölle

Gewöll 1

Gewölle ist eine Tanzperformance der Begegnung; genauer: der Folgen von Begegnung. Druckpunkte, Verhaltensstörungen, Einschreibungen, Verletzungen, Wunden, Erinnerungen - keine Begegnung bleibt folgenlos, keine Begegnung bleibt ohne Spur. Die Summe der Begegnungen ist das Gespinst, das Nest, das Gewölle, das uns umgibt. Alle Affekte, jede leibliche Spur, jedes Gefühl findet seinen komprimierten Ausdruck in diesem Raum des Nachhalls - im Gewölle, das alles Vorherige mit sich trägt, unverbunden verbunden, unverwoben verwoben.

gewoelle 2

Gewölle ist das bereits Verdaute. Alles existiert in der festen Struktur, ist transformiert. Dennoch ist alles immer noch les- und tastbar, hat seine Eigenart nicht verloren. Das Gewölle schafft einen Traum- und ein Kunstraum: Das Anderssein ist in der Verbindung möglich. Es ist in einer Zeit universellen Gleichschaltung und warenförmiger Nivellierung ebenso Utopie wie angsteinflössende Fremdheit.



gewoelle 3

Im nicht theatralen, alltäglichen Raum, z.B. auf der Straße, ist nur ein enges Bewegungsmuster erlaubt, genügen schon kleinste Abweichungen, um nicht aus der Norm zu fallen. Dagegen hat sich die Gesellschaft viele Nischen geschaffen, in denen ungewöhnliche Bewegungen und Verhalten anderer Art erlaubt sind. Nach Michel Foucault stellen solche Heterotope einen Mikrokosmos der gesellschaftlichen Gesamtheit da. Mal Illusionsraum, mal Kompensationsraum. Diese Pole erzeugen Spannungen. Spannungen, denen wir uns stellen werden, die wir ins Leibliche übertragen werden.

gewoelle 3

Für Gewölle probte das Team auch in öffentlichen Räumen, um die Grenzen der Bewegungsnorm nachzuspüren. Jedoch gibt es auch innerhalb einer Stadt stets versteckte Räume, stets seltene Orte, die dazu kreiert wurden, um die Grenzen der Begegnung zu verschieben. Andere Regeln bestimmen hier den Umgang, fremde Regeln, ungewohnte Regeln, die es vielleicht nur dort gibt - die aber erzählen vom ungewohnten Leben, neue Perspektiven schaffen und von etwas Anderem als das, was ist, berichten. Es sind die Traumräume der Stadt, die Herzkammern, hier schlägt der Puls. Jede Stadt, jede Gemeinschaft, jede Gesellschaft braucht solche Räume, schon immer. Solche Räume galt es konkret aufzuspüren.

Fotos: © Ludger F. J. Schneider 2008